Wenn gendergerechte Sprache verhöhnt wird

Gemeinsame Stellungnahme unserer Fraktion mit der SPD-Fraktion zur Debatte in der Stadtratssitzung vom 30. Juni

Für die Sitzung des Meckenheimer Stadtrates am 30. Juni, der letzten Sitzung vor der politischen Sommerpause, hatte unsere Fraktion einen Antrag zu gendergerechter Sprache eingebracht. Die SPD-Fraktion unterstützte dieses Anliegen grundsätzlich, wollte aber mit einem Änderungsantrag unter anderem mehr Zeit für die Umsetzung und eine sprachliche Vereinfachung erreichen. Der grundsätzliche Tenor, mit gendergerechter Sprache aktiv Toleranz und Anerkennung zu üben, war der gemeinsame Nenner beider Anträge.

Was dann im Verlauf der Sitzung folgte, zeigte leider einmal mehr die rückwärtsgewandte Haltung einiger Ratsmitglieder auf. So reagierte ein Ratsmitglied der BfM mit einer in seinen Augen vermeintlich humoristischen, in Wahrheit aber zutiefst verunglimpfenden und überheblichen Gegenrede. Als andere Ratsmitglieder mit Verwunderung auf diese Ausführung reagierten, erhielt der BfM-Ratsherr auch noch Rückendeckung vom Bürgermeister, der das Gehörte als pointierte Ausführung legitimierte. Die Ausführungen eines weiteren BfM-Ratsherrn, dass mittels Sprache das Denken manipuliert werde und der den Antragstellenden Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus vorwarf, machten die antragsstellenden Fraktionen fassungslos.

Dass der Rat sich mit seinem mehrheitlichen Votum gegen die Aufnahme der Definition „divers“ in Formulare der Stadt gegen geltendes Recht gestellt hat, ohne dass der Bürgermeister mit seinem juristischen Hintergrund versucht hätte, dies abzuwenden, verdeutlicht zudem die Ablehnung von Veränderung und Entwicklung und dass für die ablehnenden Fraktionen längst nicht mehr das Thema, sondern nur der Ausdruck einer Gegenhaltung, im Mittelpunkt stand.

„Ausführungen, das Thema würde ohnehin nur 0,004% der Bevölkerung betreffen, da nur diese als divers kategorisiert seien, können wir als Gegenargument nicht gelten lassen. Gerade Minderheiten benötigen Respekt, Toleranz und Unterstützung“, führte Stefan Pohl, Vorsitzender der SPD-Fraktion aus. „Gendergerechte Sprache muss nicht sperrig oder gar kompliziert sein. Man muss es nur wollen.“ Zudem handele es sich bei der genannten Zahl lediglich um die Anzahl der Personen, die eine Personenstandsänderung hin zu „divers“ vorgenommen haben. Dass die Zahl der Menschen, die sich unabhängig von einer rechtlichen Kategorisierung nicht allein dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen aber deutlich höher ist, wurde von dem UWG-Ratsherren, der dieses Argument vorbrachte, verkannt.

Dem ebenfalls gehörten Argument, Sprache solle nicht verändert oder reglementiert werden, hielt unsere Co-Fraktionsvorsitzende Susanne Chur-Lahl entgegen: „Heute sind viele Frauen sehr froh, dass die Titulierung als ‚Fräulein‘ mittlerweile aus dem Vokabular verschwunden ist. Sprache hat sich stets entwickelt und den gesellschaftlichen Realitäten angepasst und wird dies auch weiterhin tun.“ Sie untermauerte somit erneut, dass die Sprache auch Wahrnehmung und Realität beeinflusst und der Wandel der Sprache genauso auch von der Gesellschaft beeinflusst wird.

Wir und die SPD-Fraktion im Meckenheimer Stadtrat verurteilen ausdrücklich das Verhalten einiger anscheinend rückwärtsgewandter, von Verlustängsten gesteuerter Ratsmitglieder. Wir wünschen uns einen toleranten, respektvollen und nicht-diskriminierenden Umgang mit allen Menschen, welcher sich auch in der Sprache widerspiegelt. Sprache wandelt sich ständig. Unsere Forderung nach umfassendem Respekt und Toleranz hingegen nicht.

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2 Kommentare

  1. Guten Tag, die Rede von Herrn Pusch fand ich einfach nur köstlich. Sie deckt sich voll mit meiner Einstellung zu diesem Thema. Das hatte ich Ihnen aber auch schon einmal geschrieben. Aber scheinbar haben Sie es nicht nötig einem Bürger zu antworten. Auch wenn er gegen Ihre Meinung ist. Die Genderei (neue Wortschöpfung?) bringt keinen weiter; weder die Betroffenen noch sonst jemanden. Und ja, ich habe das Gefühl, dass durch Gendern genau der Personenkreis ausgegrenzt, wenn nicht gar ins Rampenlicht gestellt wird, dem man ursprünglich damit helfen wollte. Grüße H. J. Büsgen

    1. Sehr geehrter Herr Büsgen, wir haben Ihren Kommentar sowohl zur Kenntnis genommen als auch beantwortet. Wir bestreiten nicht, dass es unterschiedliche Auffassungen zum Gendern geben kann und soll. Ebenso scheint es verschiedene Auffassungen über Humor zu geben, die wir an dieser Stelle offensichtlich nicht teilen. Mit freundlichen Grüßen, Rebecca Stümper